English Version / Deutsche Version siehe unten
conversation between Asta Gröting and Sean Snyder
Asta Gröting: You suggested Im(mutable) as a title for our exhibition. Why?
Sean Snyder: The title for the exhibition comes from multiple attempts in my artistic practice to make fluid concepts material and maintain consistency in art work. Parentheses are keys: immutable means that an object cannot be modified or changed. In contrast, mutable is something that can be altered after it’s created. The subjects throughout the presentation are fluid and transient, but are formatted in solid materials.
Asta Gröting: How you explain the title describes the process I recently undertook to make sculptural registrations of facades of still war-torn architecture. To imagine the process, one must enter the interior of the wall and look from behind at its outer surface —a gaze through the facade at the outer world as if you were the wall itself.
Sean Snyder: The way you describe the bullet ridden walls activates the architectural structures as latent photographic apparatuses. Google searches, Wikipedia entries, YouTube hits are the distorted lens that history is viewed through today. A facade through the world is seen perhaps? Individuals have the capacity to filter (or build walls) against floods of information.
Asta Gröting: I translated remnants of the damaged walls into sculptural form. The impressions may be the result of random shots fired in the name of war. The actual destruction happened in a short period of time, but the sculptures are intended as traces of the psychological scars that span decades.
Sean Snyder: The configuration of works I am presenting in the exhibition is synced in a playful way with the facade registrations you made. Mutably, the images of clouds, translations of screen formats, a gram of gold, a Google image search for Pablo Picasso’s iconic mural “Guernica” attempt to return fire. Material and immaterial subjects layered with past, present and future associations. For me, it’s like a detective novel, tracing the traumatic events and locations where the sculptures were produced. Can you describe the process?
Asta Gröting: Last Summer, I wandered the streets of Berlin Mitte where the last two weeks of WWII in April 1945 were fought between the Red Army and the Wehrmacht. I am attracted to physical ruptures. In particular, post-war Germany attempts to cleanse its urban surface that was left intact after WWII. Architectural structures are like a long exposure of decades or centuries.
Sean Snyder: You describe the facades in terms of exposure time. I understand your work with facades as a “development” within urban fabric, yet as unseen eyesores. The exposure is akin to the simple functions of a program like Photoshop used to cover imperfections. An arbitrary ‘point and shoot’ function can have a lasting impact, or with digital technology contribute to the abyss of visual data. A millisecond might be preserved for decades using photography. Whether consequent or random, impressions persist.
Asta Gröting: You are touching an important point. The repression of painful memories become form and looks back at the viewer.
Sean Snyder: Memory, now synthetically enhanced, is a relevant question to ask in an art school context. What media do artist students decide to pursue? What preconceptions about art are there? What means are in art students hands to convey their ideas? “Mutability” (the title of the exhibition NOT in parentheses) alludes to the fluidity of objects. I see analogue and digital image production, format and color significant. How history is translated into the present tense are questions that I search unanswerable answers for. What is authentic? What is a copy? What is a translation?
Gespräch Asta Gröting und Sean Snyder
Asta Gröting: Du hast den Titel Im(mutable), „Un(veränderlich)”, für unsere Ausstellung vorgeschlagen, wie kam es dazu?
Sean Snyder: Der Titel für die Ausstellung stammt aus einer Reihe von Experimenten in meiner künstlerischen Praxis. Die Klammern sind dabei von entscheidender Bedeutung: „Immutable“ oder „unveränderlich“ bedeutet, dass ein Objekt in seinen Eigenschaften nicht beeinflusst werden kann. „mutable“ hingegen bezeichnet etwas, das nach seiner Erstellung variierbar bleibt.
Asta Gröting: Wie du den Titel erklärst, beschreibt meine Vorgehensweise, die ich im letzten Sommer mit meiner bildhauerischen Erfassung von Fassaden gemacht habe, die noch Spuren des Krieges tragen. Um sich die Arbeit vorstellen zu können, muss man sich mit seinen Augen in das Innere der Wand versetzen und auf die Außenhaut schauen – durch die Fassaden auf die Welt nach draußen schauen, als ob man selbst die Mauer wäre.
Sean Snyder: Wie du mit den von Einschüssen gezeichneten Fassaden umgehst, wendet die architektonischen Zustände der Wände und Gebäude in eine nahezu fotografische Apparatur. Einträge bei Google, Wikipedia, YouTube sind die verstörenden Linsen, durch die Geschichte heutzutage wahrgenommen wird. Damit gleichen sie deinen Fassaden, durch die man auf die Welt nach draußen schaut. Jeder hat heute die Möglichkeit die Informationsflut zu filtern oder dagegen Mauern zu bauen.
Asta Gröting: Ich habe die letzten Spuren der beschädigten Mauern in eine bildhauerische Form übertragen. Die Abdrücke mögen aus Zufällen kriegerischer Einschläge resultieren, deren tatsächliche Zerstörung sich in kürzester Zeit ereignete. Aber die Abformungen der Wände sind als Spuren psychologischer Narben gedacht, die die Jahrzehnte überdauerten.
Sean Snyder: Die Zusammenstellung der Arbeiten, die ich in der Ausstellung präsentiere, ist in spielerischer Weise mit deinen Wandabformungen synchronisiert: Veränderbare Bilder von Wolken, Übersetzungen von Bildschirmformaten, einem Gramm Gold oder einer Google-Bildersuche nach Pablo Picassos ikonischem Wandgemälde „Guernica“ reagieren auf die Fassaden. Materielle und immaterielle Themen verknüpfen sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für mich ist es wie ein Detektivroman, die traumatischen Ereignisse und Orte aufzuspüren, wo die Skulpturen entstanden sind. Kannst du uns den Herstellungsprozess beschreiben?
Asta Gröting: Letzten Sommer lief ich durch die Straßen von Berlin Mitte, wo in den letzten beiden Kriegswochen im April 1945 Straßenkämpfe zwischen Roter Armee und Wehrmacht stattfanden. Ich mag Spuren der Zerstörung, Risse; sie lassen einen Spalt offen in die Vergangenheit, besonders weil das Nachkriegs-Deutschland bis heute versucht, das Erscheinungsbild von Erinnerung zu befreien. Architektonische Strukturen funktionieren wie eine Langzeitbelichtung von Jahrzehnten oder Jahrhunderten.
Sean Snyder: Du hast deine Fassadenabformungen mit dem Begriff der Belichtungszeit beschrieben. Ich verstehe deine Fassadenarbeiten als „Entwicklung” der städtischen Struktur, als bisher nicht wahrgenommenen und versteckten Schandfleck. Die Belichtungszeit ist vergleichbar mit einfachen Funktionen eines Programms wie Photoshop, um Fehler zu kaschieren. Eine beliebige ‘point and shoot’-Funktion kann einen bleibenden Eindruck hinterlassen, oder mit digitaler Technik zum Missbrauch visueller Daten beitragen. Eine Millisekunde mag für Jahrzehnte durch die Photographie verewigt werden. Gleich ob mit Absicht oder zufällig, der Eindruck bleibt erhalten.
Asta Gröting: Damit triffst du einen wichtigen Punkt. Die Verdrängung der schmerzlichen Erinnerung, die durch die Abformung sichtbar wird und den Betrachter anschaut.
Sean Snyder: Ein synthetisch verbessertes Gedächtnis stellt für den Kunsthochschul-Kontext eine durchaus relevante Frage dar. Welche Medien wählen KunststudentInnen für ihre Arbeit? Welche Vorurteile gibt es der Kunst gegenüber? Welche Mittel nutzen KunststudentInnen, um ihre Ideen auszudrücken? „Mutability“ (der Titel der Ausstellung ohne Klammern) spielt auf die Fluidität von Objekten an. Ich erachte Format und Farbe in der analogen und digitalen Bildproduktion als signifikant. Wie finde ich Antworten auf diese Fragen? Was ist authentisch? Was ist eine Kopie? Was ist eine Übersetzung?