ZKM – Collection of the Landesbank BW + Grässlin Collection

23 May 2012 - 15 Jul 2012 — ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, Germany
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http://www03.zkm.de

Kuratiert von Idis Hartman

Asta Gröting (*in Herford) zählt seit den 1990er-Jahren zu den bedeutenden zeitgenössischen Künstlerinnen Deutschlands. Sie studierte an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Klaus Rinke und wurde während dieser Zeit u. a. von Joseph Beuys Kunstbegriff beeinflusst.

Zentrales Motiv von Asta Grötings Arbeit ist es, „Bilder zu finden, die verborgene Prozesse sichtbar machen”.[1] Nachdem sie bei Obduktionen zugesehen hatte, beschäftigt sie sich seit Anfang der 1990er-Jahre mit dem Inneren organischer Körper und entwickelt Skulpturen von Verdauungsapparaten. Die verwendeten Materialien Glas, Silikon und Holzwolle stehen dabei oft in einem Spannungsverhältnis zum Dargestellten. Das schwarze Silikon der Verdauungswege (1990) erinnert eher an industrielle als biologische Prozesse und an die Herstellung von Implantaten aus Silikon, während Holzwolle auch zum Ausstopfen von „echten“ Tierpräparaten und Leichen verwendet wird. Das Material Glas, das Gröting für Taube (1997) verwendet, steht mit seiner Schönheit und Reinheit im Gegensatz zu den Eingeweiden, die gewöhnlich als ekelerregend und abstoßend empfunden werden. Mit dem Material Glas, das, ebenso wie das innere Verdauungsorgan, normalerweise unsichtbar bleibt, wiederholt sich der Prozess der Sichtbarmachung.

In den fragilen, transparenten Skulpturen inszeniert Asta Gröting das Verhältnis von Innen und Außen als ein dialektisches. Die Eingeweide werden im Moment ihrer Extraktion aus dem Körper, der Herauslösung aus dem Kreislauf des Organismus, leblos. Sie erstarren, ebenso wie das Glas im Moment seiner Formwerdung. Damit thematisiert die Künstlerin nicht nur grundlegende Prozesse des Lebens sondern auch die Unterscheidung von Medium und Form in der Skulptur. Die Form wird als Moment der Materialisierung innerhalb eines ständigen Prozesses des Entstehens und Vergehens exponiert.
Die Darstellung des Inneren, des Unsichtbaren, des Verborgenen im Werk von Asta Gröting ist immer auch eine Beschäftigung mit grundlegenden sozialen Prozessen. Die Negativform Gehäufter Mangel (1992), ein Stapel von Tellern deren Boden, thematisiert nicht nur die Funktionalität des Gegenstands dadurch, dass das Essentielle fehlt, sondern beschreibt auch das Paradoxon, das jedem Versuch der Sichtbarmachung von Unsichtbarem inne wohnt, und verweist auf die gesellschaftliche Thematik von Hunger einerseits und Verschwendung andererseits.

Auch die Zeichnungen Asta Grötings verweisen auf innere Prozesse, wie etwa Weinen (1993), Tränen (1995) und Der Pawlow’sche Hund (1995), der als Beweis für die klassische Konditionierung dient.

In den Videoarbeiten und Performances der Serie The Inner-Voice, die ab 1992 entstand, befasst sich Gröting mit dem Unterbewussten, Ungesagten und Verschwiegenen der menschlichen Psyche. Eine Bauchrednerpuppe führt mit ihrer inneren Stimme Gespräche über alle wichtigen Fragen des menschlichen Lebens, wie Freundschaft, Liebe, Selbsterkenntnis, Selbstvertrauen, das Altern, Krankheit und Tod. Gröting hatte gelesen, dass man im Mittelalter bei Leichenöffnungen nach der Seele suchte, weil man dachte, die Seele habe ein Organ. Die Verwendung der Bauchrednerei transformiert diese Suche.[2]

Gröting agiert hier als Bildhauerin der Puppe, Regisseurin und Drehbuchautorin. Sie engagiert international bekannte Bauchredner und lässt Texte von Autoren wie Tim Etchells und Deborah Levy schreiben. Die Protagonisten ihrer Videos kommen aus unterschiedlichen Ländern, Sprachen und Kulturkreisen und verleihen der Bauchrednerpuppe ebenso unterschiedliche Persönlichkeiten und kulturelle Eigenheiten. Durch die Einbeziehung der Bauchrednerei überschreitet Gröting die Grenze zur Kleinkunst und kommentiert damit die immer noch virulente Unterscheidung zwischen High Art und Low Art.

In den Dialogen der Puppe mit ihrer inneren Stimme, in denen komische, peinliche, absurde und entlarvende Situationen entstehen, demonstriert Gröting die Konstruktion jeglicher Identität. Die innere Stimme ist Sprachrohr dessen, was wir aufgrund unserer Erziehung und kultureller Übereinkünfte nicht laut sagen. Ebenso wie bei den Verdauungsorganen, ist das Gezeigte nicht etwas per se Unsichtbares, sondern das durch kulturelle, gesellschaftliche Konventionen ins Verborgene Verbannte.

Curated by Idis Hartmann

Since the 1990s, Asta Gröting (*in Herford) is counted among the most outstanding contemporary artists in Germany. Gröting studied at the Academy of Arts Düsseldorf under Klaus Rinke during which period she was also influenced by, among others, Joseph Beuys’ conception of art.

A central motif of Asta Gröting’s work is her “search for pictures that render concealed processes visible”.[1] Since the beginning of the 1990s, following sessions as an observer during postmortem examinations she turned her attention to the inner organic body, before going on to develop sculptures of digestive systems. The combined materials of glass, silicon and wood wool she utilizes in this connection frequently bring forth a relationship of tension with the objects on display. The black silicone of the Verdauungswege (1990) is more reminiscent of industrial than biological processes, and on the manufacture of silicone implants, whereas wood wool is also used for stuffing “real” animals and corpses. With its beauty and purity, glass, which is a material Gröting made use of for Taube (1997), contrasts with intestines, something commonly perceived as nauseating and repulsive. In glass, which, much like the inner digestive organ normally remains invisible, the process of visualization repeats itself.

In her fragile, transparent sculptures, Asta Gröting orchestrates the relation between inner and outer as a form of dialectic. On extraction from the body, or withdrawal from the organism’s circulation, the intestines become lifeless. They freeze, as it were, not unlike glass at the moment in which it assumes a form. In this sense, the artist not only thematizes fundamental life processes, but the distinction of medium and form in sculpture. Form is then revealed as the moment of materialization within a process of perpetual emergence and decay.

In Asta Gröting’s work, the representation, among others, of the inner, the invisible and the concealed consistently turns on the preoccupation with fundamental social processes. The negative form Gehäufter Mangel (1992), a stack of plates without bases, not only pursues a thematic treatment of the functionality of the object in so far as the essential components is missing, but is no less descriptive of the paradox inherent in any attempt to make visible the invisible, and in so doing points to the dual sociological issue surrounding hunger and wastage.

Furthermore, Asta Gröting’s drawings such as Weinen (1993) and Tränen (1995) evince internal processes, Der Pawlow’sche Hund (1995) serving as evidence of classical conditioning.

It was in the video works and performances of the series The Inner-Voice produced from 1992 onwards that Gröting was to treat the question of the unconscious, forbidden and secretive aspects of the human psyche. With its inner voice, a ventriloquists dummy holds discussions about all central questions of human life, such as friendship, love, self-knowledge, self-confidence, aging, sickness and death. Gröting points out that when conducting an autopsy during the medieval period physicians would search for the place of soul since it was believed that the soul possessed its own organ. It was the use of ventriloquy that was to transform this search.[2]

Here, Gröting operates as a sculptor of the ventriloquist’s dummy, as director and as scriptwriter. She engages internationally known ventriloquists, and commissions texts to be written by such authors as Tim Etchells and Deborah Levy. The protagonists of her videos originate from various countries, speak different languages, belong to different cultural circles and thus lend to the ventriloquist’s dummy no fewer personalities and cultural idiosyncrasies. By including ventriloquism Gröting transgresses the border to cabaret, thus commenting on the ongoing virulent distinction between high art and low art.

In the dummy’s dialogs with its inner voice, in the comic, embarrassing, at times absurd and revealing situations, Gröting demonstrates the construction of all identities. Influenced by education and cultural convention, the inner voice is the mouthpiece for that which forbids open expression. Much like the digestive organs, what is shown is not something, per se, invisible, but has been exiled into a concealed place by the pressure of cultural and social convention. [1] Asta Gröting in: Stella Rollig, „Wo steht man? Was kann man wissen? Asta Grötings Skulpturen und Videos“, in: Marius Babias, Stella Rollig (Hg.), n.b.k. Ausstellungen, Band 6: Asta Gröting, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2010, S. 16.
[2] Ibid., S. 16.